Offener Brief an alle demokratischen Fraktionen im Leipziger Stadtrat

Pressemitteilung vom 03.12.2024

Liebe Stadträt*innen,

wir sind wütend. Und es wird gefühlt täglich mehr angesichts der bekanntwerdenden Negativmeldungen. Das Loch im Haushalt ist nun offenbar noch größer als bisher veröffentlicht. Laufende Ausschreibungsverfahren werden, entgegen der vorherigen Zusage zumindest diese abzuschließen, abgebrochen. Auch Leitungsstellen sind teils seit Monaten unbesetzt. Die Kommunikation hierzu ist äußerst dürftig und die Beschäftigten werden im Trüben gelassen, was zwangsläufig für Verunsicherung sorgt. Es entsteht der Eindruck, dass jede Stelle, die durch Rente, Weggang oder Stundenreduktion frei wird, einkassiert wird und auf Jahre verloren ist. Dass die anfallende Arbeit dadurch auf weniger Schultern verteilt werden muss und somit die Arbeitsbelastung weiter steigt, dürfte auf der Hand liegen. Zum Trost dafür werden wir bei jeder Gelegenheit mit den immergleichen blumigen Phrasen versorgt, in denen sich Wertschätzung der Stadtspitze für unsere tägliche Arbeit ausdrücken soll. Nun denn, die Haushaltsverhandlungen betrachten wir hierfür als Nagelprobe. Und aktuell drängt sich unweigerlich der Eindruck auf, dass es im vielzitierten Maschinenraum des Gemeinwohls reichlich hakt und an mancher Stelle bereits fleißig demontiert wird. Auch das neuerdings gern bemühte Team Grundgesetz wird irgendwann spielunfähig, wenn man bereits in Unterzahl auf dem Platz antritt. #stadtlicherfrust

An Überheblichkeit nicht zu überbieten und denkbar deplatziert ist das jüngste Videostatement des Verwaltungsbeigeordneten zum Personalbudget. Dieser drückte Ihnen seine „Dankbarkeit für die Möglichkeit, [den städtischen Bediensteten] weiter Gehälter und Besoldungen zu zahlen“ aus. Stark. Wir hoffen an dieser Stelle auf Ihr Verständnis, wenn wir nicht mit demselben Enthusiasmus „Danke“ sagen. Und das nicht aus Unhöflichkeit, sondern aus Prinzip. Die besagte Möglichkeit ist eine Pflicht, denn entgegen der Auffassung des Beigeordneten ist die Zahlung der Gehälter der Beschäftigten der Stadt keine Alimentation je nach aktueller Kassenlage. Wir haben Arbeitsverträge. Wir haben einen Tarifvertrag. Und als Gewerkschaftsmitglieder auch eine Arbeitsrechtsschutzversicherung. Der zu erweckender Anschein, nach Gutdünken entscheiden zu können, entbehrt jeglicher Bodenhaftung mit der Realität und ist zudem grob beleidigend für die größte Belegschaft der Region, die eine Mehr-als-Halbmillionenstadt am Laufen hält. Unter Umständen ergibt sich ja zur nächsten Ratssitzung eine Gelegenheit für Sie, den Beigeordneten im passenden Rahmen an die Grundsätze sozialer Marktwirtschaft zu erinnern. #stadtlicheherablassung

Leider erscheint in diesem Licht die Imagekampagne der Stadtverwaltung zunehmend wie ein missglückter Witz mit den Gesichtern und auf dem Rücken der Beschäftigten, die sich zurecht fragen, wen sie da unter welchen Vorzeichen für einen Job im öffentlichen Dienst begeistern sollen. Die zentrale Botschaft der städtischen Werbekampagne ist: „Arbeite für die Stadt Leipzig. Wir machen hier geile wichtige Dinge und finden Vielfalt super. (Aber um Himmels Willen bewirb dich bitte nicht. Denn dann würde ja auffallen, dass wir aktuell gar niemanden einstellen!)“ Tatsächlich sind aktuell sechs (in Worten: ja, sechs!) Stellenangebote zu verzeichnen in einer Behörde mit rund 9.000 Beschäftigten, einige davon seit Monaten erfolglos ausgeschrieben. Es ist leider anzunehmen, dass man sich momentan mit dem substanzlos gewordenen crossmedialen Marketingspektakel in den Augen der Öffentlichkeit unfreiwillig lächerlich macht und sich gleichzeitig bei potenziellen Bewerber*innen als Arbeitgeberin disqualifiziert. #stadtlichefarce

Daher dürfen wir Sie, gewählte Vertreter*innen der Stadtgesellschaft, erneut ersuchen, bei den Abstimmungen über den kommenden Doppelhaushalt die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit Leipzig weiterhin eine Stadt ist, die gut für ihre Bürger*innen sorgen kann. Hierfür sind eine leistungsfähige Verwaltung und starke Eigenbetriebe unabdingbar, die allerdings gerade drohen, kaputtgespart zu werden. Bitte bedenken Sie: Praktisch alles, was Sie jeden Tag sehen und nutzen, wenn Sie das Haus verlassen, ist ohne den öffentlichen Dienst nicht vorstellbar. Und dieser wird oft als natürlich gegeben hingenommen, doch die kommunale Daseinsfürsorge existiert nicht im luftleeren Raum, sondern ist von konkreten materiellen Bedingungen abhängig. Oder einfach ausgedrückt:

Alle wollen sozialen Wohnungsbau in einer wachsenden Stadt, aber das gibt es nicht umsonst.
Alle wollen, dass der Müll regelmäßig abgeholt wird, aber das gibt es nicht umsonst.
Alle wollen, dass Leipzig Großereignisse kann, aber das gibt es nicht umsonst.
Alle wollen zeitnahe Termine für bürgernahe Dienstleistungen, aber das gibt es nicht umsonst.
Alle wollen eine attraktive Infrastruktur, aber das … können Sie sich sicher denken inzwischen.

Sie haben es in der Hand. Wir reichen Ihnen unsere zum Dialog. #stadtlicheverantwortung

Die Aktivengruppe „STADTlicher Haushalt“ der ver.di-Mitglieder aus der Stadtverwaltung Leipzig

 

Pressekontakt

V.i.S.d.P.:
Oliver Greie
ver.di-Landesbezirksleiter
für Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
für den Inhalt: Jörg Förster

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